Ursulinische Erziehung

Liebe Besucher unserer Homepage,

damit Sie die Wurzeln, Ziele und Erziehungsmaximen unserer Schulen besser nachvollziehen und auch mittragen können, haben sich Eltern und Lehrer zusammen­ge­fun­den, um die aus ihrer Sicht wichtigen Ursprünge, Hintergründe und Perspek­tiven der ursuli­nischen Erziehung vorzustellen.

I. Entstehung und historische Entwicklung der ursulinischen Idee

angela_merici

Die Gründerin des Ursulinenordens war Angela Merici. Sie wurde in der Zeit zwischen 1470 und 1475 in Desenzano (Italien) geboren. Nach dem frü­hen Tod ihrer Eltern und Schwester begann für Angela eine lebenslange Pilgerschaft. In einem fortdauernden Unterwegssein widmete sie ihr Leben dem Dienst am Näch­sten und entschied sich, ehelos zu leben.

1522 bezog Angela einen kleinen Raum in der Kirche Sant’Afra in Brescia (heute: Kirche der hl. Angela Merici). Ab diesem Zeitpunkt, zu dem sie bereits eine Gruppe von Mädchen und Frauen um sich versammelt hatte, arbeitete sie an der Bildung einer geistlichen Gemeinschaft. Zusammen mit diesen erarbeitete sie eine einfache Regel, nach der sie lebten, und zwar nicht in einer großen Gemeinschaft, sondern in ihren Familien oder in kleinen Wohnge­meinschaften zu zweit oder zu dritt. Sie fühlten sich aber durch regelmäßige Zusammenkünfte und eine gemeinsame Spiritualität miteinander verbunden. Mit dieser Konzeption eröffnete Angela den Frauen ihrer Zeit eine neue Lebensform in der Kirche; denn sie ermöglichte ihnen ein hohes Maß an Freiheit, Selbstständigkeit und Eigenverantwortung.

Am 25. November 1535 gründete Angela mit 28 ihrer Gefährtinnen die ‚Compagnia de Sant ’Orsola’ (Gesellschaft der hl. Ursula), die als theologische Grundlage das Evangelium und als Vorbild die urchristliche Gemeinde hatte und deren spirituelle Kraft dem Vertrauen auf den Hl. Geist entsprang. Ganz bewusst wählte sie als Namenspatronin die heilige Ursula, deren Persönlichkeit und Lebensweise sie sich als Vorbild nahm.

Angela war ihrer Zeit weit voraus, denn ihre religiöse Lebensform inmitten einer Welt mit der weit­reichenden Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit entsprach nicht dem vorherrschen­den kirchlichen und gesellschaftlichen Frauenbild.

Wie bereits erwähnt, liegt der Beginn der ursulinischen Bewegung in der frühen Neuzeit, einer Zeit der weltlichen und kirchlichen Umbrüche, Reformen und Neuanfänge. In dieser Phase strebten reformerische Gruppen nach glaubhafter Gestaltung nicht nur der kirchlichen Institutionen, sondern auch der persönlichen Spiritualität. Auf beiden Ebenen brachte Angela wichtige Impulse.

Angelas besondere Begabung lag in ihrer klu­gen Ratgebung, mit der sie den Menschen in jeder Notsituation half. Sie wurde wegen ihrer menschlichen Fähigkeiten und als ‚geistliche Freun­din’ geschätzt und geliebt. Ihr Verständnis von persönlicher Freiheit zeigt sich beson­ders in dem Zitat: „Gott hat jedem seinen freien Willen gegeben und will niemanden zwingen. Er macht nur offenbar, lädt ein und rät.“.

Am 27. Januar 1540 starb Angela, nur fünf Jahre nach der Gründung ihrer ‚Gesellschaft der hl. Ursula’. Als Angelas Sarg am 28. Januar 1540 zur Kirche Sant’Afra getragen wurde, folg­te ihr eine große Menschenmenge, so dass der Trauerzug nach Aussage des Stadt­chro­nisten „wie das Begräbnis eines Fürsten wirkte“.

II. Die Umsetzung der ursulinischen Idee in der heutigen Zeit

Das Leben und Wirken Angela Mericis war geprägt von ihrem seelsorglich sozialen Engagement für ihre Mitmenschen und von ihrer Offenheit für die Vielfalt menschlicher Nöte.

Die Entfaltung einer harmonischen Persönlichkeit ist Ziel jeglicher Erziehung. In einer Atmosphäre der Akzeptanz, Sicherheit und Offenheit bekommen Schülerinnen und Schüler nicht nur die notwendigen Sachkenntnisse vermittelt, sondern auch die Möglichkeit, in der Auseinandersetzung mit anderen ihren Standpunkt zu finden und zu vertreten. Dazu bedarf es Mut, einer realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, Geduld und Frustrationstoleranz.

Wünschenswert ist, dass sich die Bereitschaft ergibt, soziale Verantwortung in unserer Gesellschaft d. h. im schulischen und auch im privaten Bereich zu übernehmen. Soziales Verantwortungsbewusstsein bei unseren Schülern und Schülerinnen kann durch praktisches Vorleben sozialen Engagements gefördert werden. Somit ist es einsichtig, dass die Vermittlung dieser sozialen Kompetenz alle Unterrichtsfächer wie auch die elterliche Erziehung im besonderen Maße betrifft.

Für Schulen, die sich der Tradition Angelas und der Ursulinen verpflichtet sehen, ergibt sich die Frage: Was bedeutet ursulinische Erziehung von Schülern im Hinblick auf eben diese soziale Kompetenz, die sie entwickeln sollen? Welche Rolle spielen Lehrer, Eltern und Schüler bei der Genese dieser sozialen Kompetenz auf der Basis christlicher Werte?

Alle Erziehenden – insbesondere an unserer Schule – können im Hinblick auf die Wissensvermittlung und auf den zwischenmenschlichen Bereich hier ein wichtiges Fundament für das spätere sozialverantwortliche Verhalten der Kinder legen. Besonders deutlich wird hier ein Grundprinzip Angela Meri­cis, nach dem sozial-karitatives Engagement und Bildung untrennbar miteinander verbunden sind.

Aus dem praktischen Beispiel der Angela Merici lassen sich besondere Erziehungsziele für unsere Schüler ableiten. So sollen die Schüler ihre Mitmenschen in ihrer Individualität akzeptieren und respektieren lernen. Sie können dies nur, wenn ihnen von allen Erziehenden glaubhaft vermittelt wird, dass die Würde und der Wert eines Menschen nicht von der Gesellschaft, sondern gottgegeben ist, völlig unabhängig von Rasse, Nationalität, Religionszugehörigkeit, gesellschaftlichem Rang oder weiteren Kriterien.

Wo aber können für unsere Schüler solche Orte des ‚sozialen Lernens’ sein:

Im schulischen Bereich ist der zentrale Ort des Erlernens der sozialen Kompetenz der Unterricht. Er bietet durch abwechslungsreiche Gestaltung der Arbeitsformen (Klassengemein­schaft, Schulgemeinschaft, Partnerarbeit, Projekt und Rollenspiel u.ä.) reichhaltigen Raum für soziale Erfahrung und deren Reflexion. Dort geht es um die Sensibilisierung der Schüler für jegliche Form des Ausgegrenztseins einzelner Schüler, Schülergruppen oder Lehrer sowie auch um die Sensibilisierung für Formen jedweder Gewalt, der Ungerechtigkeit, des Streits, des Mobbings, der existentiellen und seelischen Not, der Trauer, der Krankheit. Die Schüler sollen in Situationen dieser Art befähigt werden, Eigenverantwortung zu übernehmen, Zivilcourage zu zeigen und sich durch ihren Beistand in Notsituationen aktiv und engagiert ein zusetzen.

Um den Schülern möglichst intensive Lernerfahrungen dieser Art zu ermöglichen, gibt es verschiedene pädagogische und religiöse Konzepte, die mit der Aufnahme Ihrer Kinder an un­serer Schule beginnen: Erwachsen werden (Jahrgangsstufe 5/6), Persönlichkeitsstärkung und Umgang mit Grenzsituationen (Jahrgangstufe 8), Tage religiöser Orientierung (Jahrgangsstufe 9) und das Compassion-Projekt (Jahrgangsstufe EF), das in ein Sozialpraktikum mündet. Sie geben den Schülern auch außerhalb ihres normalen Unterrichts die Möglichkeit, solche Erfahrungen zu machen, zu thematisieren und zu reflektieren.

Ebenso eröffnen die an unserer Schule für alle Jahrgangsstufen regelmäßig stattfindenden Schul­gottesdienste den Raum für religiöse Erfahrungen und fördern das Erlernen von sozialer Kompetenz durch ihre thematische Vorbereitung. Zudem ist es Tradition, dass die Klassen 5 bis 7 den Schulmorgen mit einem Gebet beginnen.

Die Entscheidung für katholische und evangelische Religionslehre als Pflichtfach ist von der Über­zeugung getragen, dass es für die Entwicklung einer ganzheitlichen Persönlichkeit notwendig ist, die Dimension des Zwischenmenschlichen und der Sachwelt überschreiten zu können, sich eine Offenheit für diese Seite des Menschseins zu erhalten und einen Standpunkt zu Fragen des Glaubens an Gott zu finden.